Statikstörung - Muskelschlingen


... Therapie und Aufbau integriert



Körperstatik - Muskelschlingen

Ob jemand „mit beiden Füßen auf der Erde steht", zeigt sich an den Füßen selbst, aber es kommt auch in den Verhaltensweisen des Betreffenden und in seiner Durchsetzungsfähigkeit zum Ausdruck. Wenn jemand nur einen Fuß richtig belastet, steht er nicht in seiner Mitte und gerät durch kleinste Erschütterungen leichter aus dem Gleichgewicht.

 

Zur spiraligen Architektonik des Körpers die verschiedenen Abschnitte des Körpers sind in bewundernswerter Weise (Architekten und Bauingenieure nehmen sich anatomische Bauprinzipien immer wieder zum Vorbild zur Lösung besonders schwieriger statischer und anderer technischer Probleme) miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.

 

 

 

Diese Verbindungen bestehen aus Gelenken, Gelenkkapseln, Knochen, Knochenhäuten, Bändern, Sehnen, Muskeln und Muskelhäuten. Besonders die Gelenkkapseln, Knochenhäute (Periost), Bänder und Muskelhäute (Faszien) sind intensiver mit Rezeptoren versorgt als andere Bereiche, und diese Fühler registrieren den Spannungszustand im jeweiligen Abschnitt und veranlassen reflektorisch Reaktionen im Rückenmark, in der Muskelspannung, im vegetativen Nervensystem, in den Hormonen und in der weiteren Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung.

 

 

Die genannten anatomischen Strukturen wirken als neuromusculotendino-fasziale (dies bezeichnet die an dem Zusammen-wirken beteiligten anatomischen Komponenten) Einheit zusammen. Biokybernetisch wird die große Menge an einzelnen Daten vom Organismus afferent (dem Zentrum zugeleitet) registriert und erzeugt efferente, vom Zentrum an die Reaktionszone des Körpers geleitete, Reize) Signale, die funktionell jeweils den Kompromiss des kleinsten Übels darstellen. Wenn der Bordcomputer eines modernen Automobils die Zustandsgrößen im Fahrwerk, dem Motor und der Beschleunigung erfasst und aus diesen Daten selbständig (autoregulativ) und sehr rasch Korrekturimpulse für die Seitdrift-Steuerung, das Räder-Differential und das ABS-System berechnet und dann aussendet, dann ist dies nur ein sehr simples Beispiel für die ungleich komplexere Datenverarbeitung im biologischen System.

Man spricht von der neuro-propriozeptiven Steuerung des Systems (verschiedene physiotherapeutische und neurophysiologische Behandlungsformen beruhen auf diesen Erkenntnissen und beeinflussen diese kybernetischen Vernetzungen regulativ: Osteopathie, Craniosakraltherapie, Rolfing, Shiatsu, Bobath, Vojta, Releasing-Griff-Techniken, Applied Kinesiology und andere). Eine besondere Rolle kommt dabei den Hauten des Organismus zu (Faszien und Membranen), die als funktionelles System den ganzen Körper durchweben.

Ihre einzelnen Abschnitte wirken komplex zusammen. Sie fungieren sowohl als sensorielles (Die Wahrnehmungen verarbeitend) Netz wie auch als Resonanzkörper für Oszillationen des Körpers selbst und für die aus äußeren Quellen (Klima, Luftdruck, elektromagnetische Reize u.a.) herrührenden Einflüsse. Architektonisch lassen sich horizontale, vertikale, diagonale und spiralige Verbindungen unterscheiden.

 

Die autoregulative Vernetzung der vorgenannten horizontalen, vertikalen und diagonalen Komponenten stellt funktionell zwei gegenläufige doppelt gewundene Spiralen dar, die von oben bis unten rechts- und linksdrehend um den Körper ziehen und so jenes phänomenale Wechselspiel zwischen Stabilität, Weichheit, Spannung und Elastizität gewährleisten, welches die ungeheure Vielfalt an Körperbeherrschung ermöglicht, die uns im Alltag als „normal" erscheint, hingegen beim Bewundern von Spitzensportlern zuweilen ins Bewusstsein rückt. Eine Schleife zieht sich vom linken Hinterhaupt / Kiefergelenk über den Hals zur rechten Schulter-Brustkorbseite, wendet sich nach hinten über den unteren rechten Rippenbogen, erreicht über den unteren Rücken über die lleosakralfuge am linken Hüftgelenk erstmals wieder seine maximale Links-Auslenkung, um sich dann an der Vorderseite über das rechte Kniegelenk und rückseitig bis zum linken Sprunggelenk zu Winden. Die Gegenrichtung vom rechten Hinterhaupt / Kiefergelenk bis zum rechten Sprunggelenk sieht spiegelbildlich entsprechend aus.

So gewährleisten zwei gegensinnige Doppelschrauben das bedarfsabhängige Spiel von Flexibilität und Stabilität, welches vergleichsweise riesigen Kräften und Belastungen standhält. Kurzstreckige Verwindungen dieser Spirale im Hals und Becken wechseln mit langen Spiralbögen ab, Den Umschaltpunkten der Drehrichtungen dieser Spiralen (Schulter, unterer Rippenbogen, Hüftgelenk, Kniegelenk) kommt ebenso wie den Anfangs- und Endpunkten (Hinterhaupt-, Kiefergelenk und Sprunggelenk) eine besondere Bedeutung zu. Störungen der Spannung in den Zwischenabschnitten manifestieren sich als Schmerzpunkt oft an diesen Umschaltpunkten.

 

Therapeutische Lockerungen und Manipulationen an diesen Relaisstationen wirken sich nach unten und oben entlang des gesamten Systems aus. Die Bewegungen und Spannungen des Körpers vermitteln sich am Sprunggelenk auf den Fuß, dessen eigene Gewölbespannung und Abrolldynamik viele Auswirkungen hat. Hier rollt die ankommende Welle einerseits aus, und andererseits werden durch die Bewegung des Fußes tonisierende Reize in den Körper zurückgeschickt, Vergleichbar ist es dem Pingpong-Effekt beim Ballspiel: Die Art und Intensität des Auftreffens eines lmpulses (am Sprunggelenk) und die Geschicklichkeit des Spielers (Elastizität im Fuß) entscheidet über die Art des Rückschlages.

Am oberen Ende der Spiralen erfolgen ebenfalls Umschaltungen der ankommenden Bewegungsimpulse: Die rhythmisch arbeitende Pumpe des Liquorflusses wird durch Dehnung (Sog) und Druck aufrechterhalten und ist deshalb stark vom Geschehen im Körper abhängig. Der Fluss des Liquors beeinflusst die Vorgänge im Gehirn. Diese sind ferner vom Tonus der Kaumuskulatur, von der muskulären und bändernen Führung der oberen Halswirbelkörper, von der Spannung der Hirnhäute und von den komplexen Regulationen entlang der Schädelbasis abhängig. ln alle diese genannten Strukturen und Funktionen hinein rollt die Bewegungswelle aus dem Körper aus. Es handelt sich bei der Verbindung der Kiefergelenks-Hinterhaupt-Zone zum Kopf und Gehirn funktionell um das Gegenstück des Sprunggelenkes zum Fuß. In der Pingpong-Parallele haben wir die beiden Spieler am unteren und oberen Ende des Spielfeldes vor uns.

Kopf und Fuß sind funktionell also eng verschaltet. Orthopädische Störungen hier können sich dort auswirken und umgekehrt, Wie es falsch ist, Symptome im Bereich der oberen Halswirbelsäule zu therapieren, ohne die Fußstatik mit einzubeziehen, so ist es verkürzt, eine Versorgung mit Fußeinlagen vorzunehmen, ohne die Gesamtstatik des Körpers zu betrachten und im Therapieverlauf mit zu kontrollieren...

 

Dr. med. Karl Braun-von Gladiß